Englischunterricht in der Klasse 9a unter Pandemiebedingungen: Mit Eis am iPad, ein tanzender Kopf und Videokonferenzen

Während des Distanzlernens haben wir zum Thema USA wöchentliche Englischstunden per Videokonferenz abgehalten. Das war für alle Schüler*innen ungewohnt und für mich als Lehrkraft ebenso. Wie teile ich meinen Bildschirm? Wie stelle ich sicher, dass der Videoclip auch flüssig läuft und alle ihn sehen können? Sind die (in vielen Stunden) vorbereiteten Materialien auch wirklich zur digitalen Präsentation geeignet?

Bei der ersten „Live“ Stunde hat es tatsächlich fast 15 Minuten gedauert, bis alle online waren. Immerhin, es waren fast alle dabei. Zwei Schüler hatten den Termin vergessen und eine Person schaltete sich später dazu. Glücklicherweise steht allen Schüler*innen der Klasse ein digitales Endgerät wenigstens zeitweise zur Verfügung, auch wenn man auf dem Handy nur einen kleinen Bildschirm zur Verfügung hat.

Dann wurde es amüsant: Ich sitze als Lehrkraft im Wohnzimmer, da dort der Internet Empfang am besten ist, die Schüler an unterschiedlichsten Orten: Mit Handy am Frühstückstisch mit Tee und Brötchen, mit Buch und Federmappe am Schreibtisch vor einem großen Bildschirm, im Arbeitszimmer der Eltern mit diesen im Hintergrund, im Garten auf der Schaukel mit Eis am iPad und mit Handy im Auto samt Eltern und Geschwistern. So gab es also gleich Englischunterricht für die ganze Familie.

Da ich als Lehrkraft zur Videokonferenz eingeladen hatte, stellte ich den Bildschirm nicht auf Schwarz. Mit gutem Beispiel voran – und siehe da, alle Schüler*innen waren mutig und blieben sichtbar. Folglich war die erste Erkenntnis, dass man möglichst schnell den Hintergrund verpixeln oder unkenntlich machen musste. Und schon saß ein Schüler im virtuellen Dschungel, ein anderer ließ nur seinen Kopf über den Bildschirm tanzen (was uns alle zum Lachen brachte und doch wahnsinnig irritiert hat) und ich verwandelte den Bildschirmhintergrund in einen Sandstrand.

Alle redeten durcheinander und es wurden notwendige Regeln für die Videokonferenz vereinbart. Es spricht nur einer und im Notfall schaltet die Lehrkraft alle auf stumm. Man hebt eine virtuelle Hand – genau wie im Unterricht in der Schule. Nun entdeckten die ersten Schüler*innen die Chatfunktion.

Das bedeutet, am Bildschirmrand kann man allen oder ausgewählten Personen in der Konferenz eine Nachricht schreiben. Für den Unterricht ist das eine großartige Idee, denn hier können sich auch zurückhaltende Schüler*innen äußern und Fragen stellen, die individuell oder für alle beantwortet werden können.

Ansonsten war es ein bisschen wie Unterricht im Klassenraum: Vorbereitete Slides und Tafelbilder mit Arbeitsauftrag, ein kurzer Videoclip zum Thema USA: Rosa Parks (den ich einige Male neu starten musste) und jeder bekam Gelegenheit, sich in der Zielsprache Englisch zu äußern. Dazu mussten sich einige erst einmal überwinden. Es war schon komisch, nicht im gewohnten geschützten Klassenzimmer zu sein und nun zu Hause ins Mikro zu sprechen. Natürlich war unsere Videokonferenz mit Zugangscode und Passwort gesichert, das war mit Schüler*innen und den Eltern abgesprochen.

Und klar gab es auch einige Personen, die etwas unaufmerksamer waren. Schließlich kann man auf dem Bildschirm zu Hause auch nebenbei Videospiele spielen. Das bemerkten die Mitschüler*innen anhand der Lichtreflexionen sofort – und ermahnten sich in Eigenregie. Sehr positiv war das Knowhow der Schüler*innen, die bei kleineren technischen Problemen sofort nach Lösungsmöglichkeiten suchten.

Am Ende der Stunde schickte ich die vorbereiteten Materialien per E-Mail an die Schüler*innen. Natürlich hatte nicht jeder einen Drucker zur Verfügung, konnte die Unterlagen aber zumindest lesen. In der Zeit des folgenden tageweisen Präsenzunterrichts wurden diese bei Bedarf in Papierform verteilt.

So viel also zur Vorgeschichte. Das Thema der Unit vor den Sommerferien bekam eine neue Aktualität, als in den Medien der Fall von George Floyd dargestellt wurde. Die Schüler*innen waren wirklich betroffen und erstellten überzeugende und sprachlich qualitative Texte zum Thema. Wer nicht viel schreiben wollte, kreierte eine Präsentation oder einen Vortrag.

Trotz Präsenzunterricht behielten wir die Videokonferenz bei, auch wenn sich die Teilnehmeranzahl etwas reduzierte.

Es gab eine wöchentliche Aktualisierung der binnendifferenzierten Übungen auf der Plattform „LearningApps.org“ und Kontakt per Mail oder Telefon.

Seit den Sommerferien nun findet Unterricht nach Plan statt. Es gibt regelmäßig eine Videokonferenz, um die Inhalte der Woche zu wiederholen und den Schüler*innen im Homeschooling eine Gelegenheit zum Nachfragen zu geben. Durch die Vorbereitung dieser haben sich meine eigenen digitalen Fähigkeiten und Kenntnisse verbessert, auch wenn ich ehrlicherweise manches Mal am Liebsten aufgegeben hätte. Für die zu erstellenden Übungen auf LearningApps.org benötige ich inzwischen auch nicht mehr Stunden und es macht Spaß.

Englischunterricht unter Einhaltung der Corona-Schutzverordnung ist eine Herausforderung für Schüler*innen und Lehrkräfte. Sprechen ist eine wichtige Fertigkeit und hinter einer Maske, die einen großen Teil des Gesichts bedeckt, wirklich schwierig. Rollenspiele und selbständiges Lernen in Kleingruppen, die sich auf dem Schulgelände frei bewegen, sind bis auf Weiteres undenkbar. Die Hygienebestimmungen müssen selbstverständlich eingehalten werden, damit möglichst alle gesund bleiben.

In unserer Klasse waren bisher einige wenige Schüler in Quarantäne aufgrund von Kontakten. Diese setzen sich zeitgleich zur Englischstunde an ihren Schreibtisch. Wie zu erwarten, gelang das nicht immer (wer möchte schon gerne für Englisch früh aufstehen) und ein Anruf zu Hause erfolgte. Kommentar der Klasse: „Da rufen Sie jetzt echt an?“ Ja, genau.

Zurzeit ist eine Live Schaltung in der Schule nicht immer möglich, das Internet bricht ab und das Handy hat nicht immer Empfang. Irgendwie geht es aber weiter, viel Geduld und Kreativität der Schüler*innen und von mir sind hier gefragt.

So übt der Schüler, der zu Hause ist, den englischen Dialog mit seinem Partner, der im Klassenraum sitzt, per Telefon. Bei Unterrichtsgesprächen und Erklärungen schicke ich dem Schüler vorab die Unterlagen oder fotografiere schnell das Tafelbild. Dann rufe ich den Schüler an und lasse mein Handy mitlaufen, sodass er (leider nicht immer) alles mithören kann. Zwischendurch geht nichts mehr und ich lehne mich zum Amüsement der Schüler aus dem Fenster (wir sind im Erdgeschoss!) damit ich irgendwo Empfang habe. Das ist nicht ideal. Am Ende solcher Stunden glüht mein Handy und das Akku verlangt, aufgeladen zu werden.

Das Video „Racism. Not with us.“entstand im Rahmen des Englischunterrichts, weil auch in diesem Schuljahr die Themen Gleichberechtigung, Diskriminierung und Mobbing im Englischbuch der Klasse 9 behandelt werden. Die Klasse ist sehr kreativ und engagiert und beabsichtigte, gemeinsam etwas zu gestalten. Das ging mit traditionellen Methoden natürlich nicht, Abstand halten ist zwingend notwendig. Alle entstandenen Einzelwerke wurden mir digital übermittelt.

Und nun begann der Erklärmarathon: Urheberrechte, Quellenangaben, Aussprachefehler, Schreibfehler und vieles mehr wurden im Unterricht und auch außerhalb besprochen. Einige Schüler schickten mir ihren Beitrag um 06:00 morgens, andere um 22.30 Uhr. Hier musste ich natürlich verdeutlichen, dass man als Lehrerin nicht rund um die Uhr erreichbar ist.

Unser Film ist immer noch nicht perfekt und auch nach unzähligen Verbesserungen seitens der Schüler*innen finden sich einige Rechtschreibfehler. Aber es ist eine tolle kreative Gemeinschaftsarbeit entstanden in einer für uns alle ungewöhnlichen Zeit unter besonderen Umständen. Wir sind Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage

Well done 9a – let`s stay healthy together. Bleibt gesund! Sb